45 Jahre Naturkost …

Bio Geschichte

“Wie alles begann … eine persönliche Zeitreise zurück zu der Geburtsstunde des Naturkosthandels in Deutschland. “

Rainer Welke eröffnete aber bereits 1973 den ersten Bioladen in Münster, das “Makrohaus”. Hier beschreibt er die bewegten Jahre, die später in die Gründung der Davert Mühle mündeten. Somit kann die Davert Mühle, mit einigen seiner Mitstreiter, auf 45 Jahre Erfahrung mit Naturkost zurückblicken.

Alles fing damit an, dass ich mich Anfang der “Wilden Siebziger” sehr intensiv mit fernöstlicher Philosophie beschäftigte. Ich studierte in langen Nächten nur schwer entschlüsselbare Schriften, darunter das tibetanische Totenbuch. Und wenn das nicht mehr weiterhalf, dann musste das ägyptische Totenbuch her. Hermann Hesse war ohnehin Pflichtlektüre und natürlich studierte ich auch die Philosophie Chinas.

Irgendwann las ich den Tao Te King des Laotse. Hier lief mir zum ersten Mal der Begriff des Yin und Yang über die Zeilen.

1971, ich war damals frische 21 Jahre jung, führte mich mein Weg nach Amsterdam und dort in eine auch für Amsterdamer Verhältnisse interessante Einrichtung namens “De Kosmos”. Es gab dort öffentliche Meditationsräume. In der Teestube spielte ein junges Hippie-Mädchen am Klavier “Let it be” von den Beatles. Und im Souterrain gab es ein sehr schönes makrobiotisches Restaurant. Dort saßen wir alle im Schneidersitz auf dem Boden und aßen zum ersten Mal Vollkornreis mit Gemüse, Meeresalgen und Tamari. Die Atmosphäre war sehr gedämpft. Man sprach, wenn überhaupt, sehr betont und bewusst. Ich war begeistert und glaubte bereits zu spüren, wie mich das erste makrobiotische Gericht meines Lebens körperlich und seelisch geheilt hat.

Wir deckten uns im “De Kosmos” mit makrobiotischen Produkten, darunter auch die ersten Lima Produkte, ein und fuhren voll neuer Inspiration nach Hause. Am nächsten Morgen machten wir unsere ersten Erfahrungen. Naiv kippten wir das Tamari ins Müsli. Schmeckte natürlich scheußlich. Jemand sagte uns, dass Tamari selbstverständlich nur für Reis und sonstige Getreidegerichte verwendet wird. Also lasen wir zunächst die mitgebrachten Bücher über die makrobiotische Ernährungslehre und die Zen-Makrobiotik.

Nach ausgiebigem Studium wurde dann der gesamte Bekanntenkreis in meiner Heimat, dem Ruhrgebiet, bekehrt. Dem folgte, dass wir der Zivilisation den Rücken kehrten und mit einer Gruppe von Leuten aus dem Ruhrgebiet und der Schweiz ein Leben in Liebe und Harmonie in einer Wohngemeinschaft auf dem  Lande in der Schweiz verbringen wollten. Natürlich musste sich jedes Mitglied der Wohngemeinschaft verpflichten, sich ausschließlich makrobiotisch zu ernähren. Dort saßen wir nun in meditativer Muße in die östlichen Weisheiten vertieft. Solange, bis es der Erste nicht mehr aushielt und andere Pläne hatte.

Die Gruppe zerstreute sich in alle Windrichtungen. Mit meinem schweizerischen Freund kehrte ich nach Deutschland zurück und gründete eine neue Wohngemeinschaft auf einem Bauernhof im westfälischen Glandorf. Auch dort versuchten wir, ein ernährungsbewusstes Leben zu führen. Dies gelang eine gewisse Zeit. Bis auch dort die Ersten wieder auf dumme Gedanken kamen und ihre Wege sich nach Marokko und Gott weiß wohin zerschlugen.

ln dieser Zeit begann ein Gedanke in mir zu reifen: Wie wäre es, wenn ich in Münster ein kleines Geschäft mit makrobiotischen Artikeln gründen würde? Münster ist eine große Universitätsstadt und es war anzunehmen, dass die Menschen, zumindest in den “Siebzigern”, solchen Dingen gegenüber aufgeschlossen waren. Die Idee manifestierte sich zu Tatendrang. Aus Berlin hörte ich, dass es dort ein makrobiotisches Geschäft geben sollte, sogar mit einem kleinen Restaurant, das “Peace Food”. Es war der erste Bioladen in Deutschland. Ich fuhr hin.

Als wäre es gestern gewesen, erinnere ich mich noch an Ramon, der an der Kasse stand und mir die Produkte verkaufte. Seine Frau Anchalla stand in der Küche und bewirtete uns mit makrobiotischen Gerichten. Dort saß ich nun wieder im Schneidersitz bei Kerzenlicht und Räucherstäbchen und sann über die Zukunft nach. Die Atmosphäre und die Liebe, mit der die Beiden ihr Geschäft betrieben, inspirierten mich. Das war es, wonach auch ich suchte: Eine Arbeit, die Sinn macht, die der Menschheit dient und die mich obendrein noch erfüllt. Geld war nicht so wichtig, aber man sollte zumindest davon leben können .

Ramon gehörte zu den ersten Menschen in Deutschland, die sich für die makrobiotische und vollwertige Ernährung einsetzen. Jedes mal, wenn ich heute auf der Messe “Bio Fach” stehe und das Getümmel dort sehe, muss ich an ihn denken, und sinniere darüber, dass wahrscheinlich die Wenigsten wissen, wie damals alles angefangen hat. Wie aus einer kleinen Keimzelle mit wenig Mitteln und nur mit der Kraft des Glaubens und des Vertrauens solch eine gewaltige Bewegung entstehen konnte. Die Makrohäuser, Peace-Foods und Schwarzbrot waren die ersten Bioläden in Deutschland.

Nach Berlin führte mich mein Weg nach Hamburg. Dort suchte ich ein Geschäft mit dem Namen “Schwarzbrot”. Ich fand es und lernte Klaus Griesbach kennen, der bereits 1997 sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert hat und der mich damals mit ernster Miene über die Vorzüge der Makrobiotik aufklärte.

Zurück im Münsterland begann ich, meine Ideen in die Tat umzusetzen und mietete in Münster für sage und schreibe 185,-DM im Monat ein Laden lokal. Etwas abgelegen, aber für den Anfang ok. Ein großes Schild mit dem umgekehrten Dreieck und das darin enthaltene Yin und Yang-Symbol wurde draußen angebracht. Viele spätere Kunden dachten zunächst an eine jüdische Vereinigung und trauten sich nicht in den Laden hinein.

So entstand im April 1973 das “Makrohaus” in Münster. Es war einer der ersten 5 Makro- bzw. Bioläden in Deutschland .

Für mich begann eine sehr schwierige, aber faszinierende Zeit. Das Sortiment fiel spärlich aus. Es gab damals kaum Lieferanten. Lediglich die Oshawa Zentrale in Düsseldorf und das Reformhaus Bein in Hamburg. Beide betrieben aber einen Versandhandel mit diesen Produkten und gewährten kaum ernstzunehmende Wiederverkäuferrabatte. So fuhr ich kurzerhand mit meinem alten klapprigen VW Bus nach Belgien in das 472 km entfernte St. Martens Latem mit dem Ziel, selbst direkt bei Lima einzukaufen.

Dort konnten sie jedoch mit mir so recht nichts anfangen. Man konnte sich scheinbar nicht vorstellen, dass der langhaarige Freak, der da vor ihnen stand, in der Lage sein würde, eine ganze Branche mit ins Leben zu rufen. Pierre Gevaert, der Begründer und damalige Besitzer von Lima verwies mich auf die gegenüberliegende World Peace-Kommune, die damals sein Bruder leitete. Dort konnte ich makrobiotisch und vegetarisch kochen lernen und auf den Feldern vor den barackenähnlichen Gebäuden alles über den ökologischen Anbau. Aus aller Weit waren dort Gäste versammelt, die für ein paar Wochen oder Monate dort lebten und ihre Erfahrungen sammelten.

Natürlich gab es dort auch einen kleinen Naturkostladen. Abends saß die ganze Mannschaft im Aufenthaltsraum, trank Wein, sang und freute sich des Lebens. Am Ende erhielt ich meine Waren, packte meinen Bulli voll und brachte so meine erste Ladenausstattung nach Hause.

Darunter befanden sich auch die ersten Vollkornbrote, die bei Lima selbst hergestellt wurden. Sie schmeckten fantastisch und hielten sich lange frisch.

Mit diesen Broten haben die Münsteraner damals zum ersten Mal echtes biologisches Vollkornbrot gegessen. Sie waren im Nu vergriffen. Was nun? Wieder 472 km fahren, nur um Brote zu holen? Das ging natürlich nicht. Und so kauften wir uns einen alten Pizzaofen und bauten diesen auf unserem Bauernhof auf. Bis tief in die Nacht haben wir unsere Bio-Vollkorn-Brote gebacken. Damals gab es noch keine einzige Vollkornbäckerei. Die sind erst sehr viel später entstanden.

Unser Enthusiasmus war unschlagbar. Trotzdem klappte damals alles hinten und vorne nicht. Mal kam das Brot morgens, mal überhaupt nicht. Trotzdem: die Leute waren begeistert, kamen immer wieder geduldig in den Laden und fragten nach, wann denn nun das Brot wieder eintreffe. Wenig später zogen wir mit dem Ofen um und unser Freund Winnie Jäger, der heute in Münster eine eigene Demeter-Bäckerei betreibt, kam nun jeden Morgen und backte das Brot. Natürlich schon damals mit frisch gemahlenem Mehl aus unserer hauseigenen Getreidemühle. Es gab damals noch keine Vollkorn-Bäckereien und viele in Münster haben heute schon längst vergessen, dass wir die ersten waren, die Vollkornbrote aus biologischem Getreide angeboten haben .

Damit stellte sich schnell auch die Frage nach der Beschaffung des biologischen Getreides. Das war eine echte Rarität. Biologisches Gemüse und Getreide wurden gehandelt wie selten auffindbares Gold. Die wenigen ökologischen Bauernhöfe waren teilweise bis zu 100 km weit entfernt und wir sind 2 mal die Woche hingefahren und haben es dort abgeholt. Langsam ging es mit dem “Makrohaus ” bergauf. Zunächst waren die Umsätze äußerst spärlich. Ich kann mich auch an Tage erinnern, an denen sich leichte Zweifel an meinem Tun einschlichen. Ich besitze noch heute die ersten Tageseinnahmen-Bücher, die den Verkauf von einem Buch “Zen-Makrobiotik” ausweisen und noch 2 Kleinigkeiten dazu. Am Ende kamen 62,50 DM dabei raus. Ich musste aus finanziellen Gründen einen Job als Fahrer annehmen, um den Laden überhaupt halten zu können. Der war dann eben vorübergehend nur halbtags geöffnet oder wurde von einem studierenden Freund geführt. Aber ich war glücklich. Ich hatte damals noch Muße, konnte viele inspirierende Gespräche führen über Gott und die Weit und natürlich mussten die Menschen für die Vollwertkost und Makrobiotik begeistert werden. Es hat viel Freude gemacht. Und wenn es auch schwer war und sich an manchen Tagen echte Zweifel einschlichen, hatte ich doch immer ein tiefes Vertrauen in die Zukunft des Naturkostmarktes.

Wie wahr, wenn man heute sieht, wie sich unser Markt entwickelt hat. Wer hat denn damals geglaubt, dass es heute eine EG-Verordnung über den kontrolliert biologischen Anbau gibt. 1973 wurden wir noch ausgelacht und als Spinner abgetan. Es gab aber auch damals schon einige echte Hardliner, von denen ich einmal völlig zur Sau gemacht wurde, weil ich einem Kunden in meinem Laden erlaubt hatte, eine Apfelsine zu essen, die natürlich extrem Yin ist. Aber was sollte ich machen? Es waren die besten Kunden. 1976 zog das “Makrohaus” in die Oberwasserstraße. Eine bessere Lage, aber immer noch kein optimales Ladenlokal Es gab zu der Zeit noch keine funktionierende Großhandelsstruktur. Die Vorratshaltung war sehr aufwendig. “Wir haben die Säcke mit loser Ware über eine schmale Treppe in den Keller geschleppt und dort in dem engen Keller die Waren selbst abgefüllt. Das Büro bestand aus ein paar Gemüsekisten. ln dieser Zeit wurden langsam immer mehr Naturkostläden eröffnet. Wir haben damals echte Know How-Beratung kostenlos betrieben. Ich kenne mindestens 5 Geschäfte, deren heutige Besitzer vorher Kunden bei uns waren oder auch bei uns gearbeitet haben. Heute lassen sich Unternehmensberater solche Dienste gut bezahlen. Aber auch mit dem “Makrohaus” ging es nun weiter bergauf. Es platzte bald aus allen Nähten. Die Sortimente wurden umfangreicher und zunehmend interessanter. Schon damals haben wir für uns Qualitätsrichtlinien definiert, die auch heute noch wesentlicher Bestandteil der Unternehmensphilosophie der Davert Mühle sind: Alle Produkte mussten frei von Lagerschutz und sonstigen Behandlungsmitteln sein. Intensiv wurden von uns landwirtschaftliche Projekte gefördert, die auf den kontrolliert biologischen Anbau umgestellt haben, bzw. umstellen wollten. Das Warenangebot wurde immer größer. Das alte “Makrohaus” war zu klein. Wir begaben uns auf die Suche nach einem zweiten Ladenlokal.

So besaßen wir dann 1979 zwei Naturkostläden: Das kleine “Makrohaus” und einen neuen Laden, den wir “Biogarten” tauften. Nebenbei betrieben wir noch einen Stand auf dem Markt. Den Biogarten gibt es heute noch, allerdings mit einem neuen Besitzer.

Mit 130 m2 Verkaufsfläche war der Biogarten für die damaligen Verhältnisse sehr groß und auch schon professionell eingerichtet und geführt. Unter anderem jedoch mit dem Ergebnis, dass einige Altkunden, die die redselige Gemütlichkeit des alten Makrohauses gewohnt waren, uns massiv beschimpften und uns vorwarfen, wir seien doch völlig abgedreht und das Ganze sei doch jetzt nichts anderes als ein konventioneller Supermarkt.

Nun ja, mit dieser Kritik konnten wir ganz gut leben. Für mich begann ein neuer Lebensabschnitt Ich wurde des Einzelhandels ein wenig müde. Da traf es sich gut, dass mich alte Freunde aus München ansprachen und mir anboten, gemeinsam in München einen Naturkost-Großhandel aufzubauen.

Mit Roswita Weber und Wilfried Einmerling gründeten wir 1980 den Großhandel “Biogarten”. Es war eine große Herausforderung für mich, an diesem Großhandelsprojekt mitzuarbeiten. Ich konnte meine alten Lima-Verbindungen wieder auffrischen. Und nun war es soweit, dass man uns dort ernst nahm. Der Biogarten wurde der Exklusiv-Lieferant für Lima-Artikel in Deutschland. Mit zwei Opel Caravans sind wir durch Süddeutschland gezogen und haben die Läden beliefert. So konnte ich viele neue Naturkostläden kennen lernen. Es war die Liebe, die mich ins Münsterland zurückführte. Mit neuen Kontakten und Erfahrungen baute ich ein neues Unternehmen auf: “Rainer Welke-Import und Großhandel von biologisch angebautem Getreide”.

Zu Beginn der Achtziger Jahre schossen die Vollkorn Bäckereien wie Pilze aus dem Boden. Die Nachfrage nach ökologischem Getreide, aber auch nach Hülsenfrüchten und Saaten war beim Naturkosthandel und den Vollkorn-Bäckereien sehr groß. Ich erkannte schon bald, dass es allein mit dem Handel nicht getan war. Meine Vision: Kontrolle, Einkauf, Reinigung, Lagerung und Abfüllung von kontrolliert biologisch angebautem Getreide, Hülsenfrüchten und Saaten gehören in die Hand von Spezialisten. 1984 konnte diese Vision umgesetzt werden. Es war die Geburtsstunde der Davert Mühle. Eine ehemalige Mühle gleichen Namens wurde gekauft und mit viel Aufwand restauriert und modernisiert. Die Gebäude wurden nach ökologischen Prinzipien umgebaut.

Heute beherbergen die Lagerhäuser der Davert Mühle auf einer Grundfläche von 5.500 m2 moderne Regallager und 2 große Kühlhäuser.

Besondere Kapazitäten besitzt die Davert Mühle bei der Reinigung von Getreide, Hülsenfrüchten und Saaten. Wir verarbeiten ausschließlich Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau. Diese erreichen uns in der Regel so naturbelassen, wie sie auf den Feldern geerntet wurden. Also auch mit kleinen Steinen und Erdklumpen, Wicken und Wildkrautsamen, dem Mutter- und Bruchkorn sowie trockenen Distelblüten. Diese, wenn auch natürlichen Zutaten, haben in unseren Produkten natürlich nichts zu suchen. Um die “Spreu vom Weizen” trennen zu können, haben wir ein hochspezialisiertes Reinigungssystem aufgebaut, das unseren hohen Ansprüchen gerecht wird. Zu der modernen Produktionstechnologie der Davert Mühle gehören inzwischen drei Abpacklinien, auf denen unsere Rohstoffe in Verbrauchereinheiten von 125 g bis zu 5 kg abgefüllt werden. Eine DruckentwesungsanIage mit Doppelkammer-System zur Vorbeugung und Bekämpfung von Ungezieferbefall vervollständigt unsere Produktionstechnologie.

Überall dort, wo Naturkost und Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau gehandelt und verarbeitet werden, ist die Davert Mühle heute zu Hause.

Über ein Großhändler-Netz bedienen wir den Naturkost-Fachhandel in Deutschland mit unseren Markenprodukten, die das Basissortiment abdecken: Getreide, Mehl, Reis, Hülsenfrüchte und Keimsaaten, Müslis, Flakes und Pops, Trockenfrüchte, Reiswaffeln und hochwertige Speiseöle. Das Backhandwerk beliefern wir mit Rohstoffen und den Zutaten für die vollwertige Bäckerei. Eine weitere Zielgruppe sind außerdem Unternehmen aus der Lebensmittelindustrie, die Rohstoffe aus kontrolliert biologischem Anbau verarbeiten.

Manchmal ist ein Blick zurück zu den Anfängen nötig, um sich bewußt zu werden, welch rasante Entwicklung der nach wie vor junge Naturkostmarkt in vergleichsweise wenigen Jahren erlebt.